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Besuch auf dem Hof der Familie Dieter Renner in Böbingen am 14. August 2021

Im Hof der Familie von Dieter Renner versammeln sich rund 20 „Slowfoodies“: die einen kommen aus allen Himmelsrichtungen der Pfalz, andere leben in Darmstadt, sind aber in der Pfalz geboren, und wieder andere komme aus Darmstadt,  leben in Rheinhessen und finden alles, was Slow Food Pfalz anbietet, einfach mitmachenswert! Die ersten Gespräche ranken sich rund um saisonale Rezepte mit Feigen und Aprikosen, das Bio-Gemüse von Martin Renner direkt am Ortsausgang – oder das Spargelhähnchen. Wer jetzt das wunderbare Bio-Stangengemüse der Familie Renner vor Augen hat, begleitet von einem saftigen Bio Huhn, der liegt total falsch! Also einfach mal recherchieren, was es mit diesem „Hähnchen“ auf sich hat.

Dieter Renner kümmert sich seit Kindheitstagen  und in der 5.Generation um  die Landwirtschaft: Dort, wo früher die Bullen angebunden waren  ist heute der Hofladen. Der Hof wurde im Laufe der Jahre der sich verändernden Produktion angepasst und kann so im besten Fall als Beispiel für nachhaltiges Bauen gelten: Anpassung statt Expansion auf immer neuen Feldern und immer neue Hallen. Die durch den Hof fliegenden und brütenden Schwalben erinnern mich an meine Kindheit auf dem Land. Offene Hoftore machen den Durchflug und dreimalige Brut im Jahr möglich und geben der Schwalbe einen kaum noch vorhandenen Lebensraum. In Böbingen gab es bis  in die 70iger Jahre noch über 80 Milchviehbetriebe – und damit auch hunderte Schwalben. Heute sind diese fast ganz verschwunden. Dieter Renner und seine Frau Gabi betreiben den Hofladen saisonal und bieten hier vieles rund um das weiße Gold und fruchtige Beeren: Spargel grün und weiß, Rhabarber, Erdbeeren, Sommer- und Herbsthimbeeren, Brombeeren sowie Aroniabeeren. Alles in Bioland-Qualität. Konkret bedeutet dies: Sorgsamer Umgang mit der Bodenfruchtbarkeit, vorbeugender Pflanzenschutz, organische Düngung, Einsatz von Nützlingen und vieles mehr.

Wir starten in der schattigen Scheune mit Blick auf den Hofladen. Dieter Renner verbindet Rückblick und Ausblick: Expandiert wurde mit Maß und Ziel – und hier zieht sich das Prinzip der Nachhaltigkeit durch den gesamten Hof. Nicht maßlos ausdehnen, sondern das Bestehende sinnvoll für die Zukunft und die Gegenwart nutzen. Hier lebt er mit Frau, seinen drei Kindern und dem Vater.

Bei 30 Grad nutzen alle „Slowfoodies“ ihre Sommerhut-Kollektion für den Feldrundgang.

Die Spargelzeit ist vorbei, dafür dürfen wir in den 50m langen Tunnel bei den Beeren zugreifen und die Sorten vergleichen. Die Brombeeren sind riesig und der Farbverlauf von den noch unreifen Beeren zur reifen Beeren sieht einfach wunderschön aus, wie gemalt: „Picasso hat bei uns gelernt“, meint Renner lachend. Erst wenn eine Brombeere eine matte schwarze Farbe hat und sich leicht löst, dann ist sie reif zum Pflücken. Die ersten Brombeeren verschwinden in den Mündern der Gruppe. Dann wechseln wir zu den Himbeeren. Renner erzählt von zunehmenden Klimaveränderung und den Auswirkungen von Sturmschäden auf die Tunnel. Beeren jedoch müssen unter Tunnel angebaut werden. Ein schützendes Dach hält Regen fern und damit Pilzinfektionen, Schattiernetze verhindern Sonnenbrand. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit die Kirschessigfliege “auszusperren“.  Ein 0,8mm Netzgeflecht wird aufgelegt und verhindert den Zuflug der KEF.

Zur Erkennung  von Schädlingen  und den gezielten Einsatz von Nützlingen unterstützten regelmäßig die Berater er NÜPA. Der Beerenanbau  ist absolut frei von Pflanzenschutzmitteln und bietet auf den Wegen und Zwischenräumen der Tunnel zusätzlich Blühpflanzen für Nützlinge.

An dieser Stelle macht Renner seinem Unmut Luft: „Einjährige Blühstreifen als Feldumrandung im konv. Anbau, um Hektarweise Monokulturen mit Mais und Raps oder Rüben aufzuhübschen ist kläglich. Immerhin besser als nichts, so Renner, aber es reicht eben nicht, um das massive Insektensterben umzukehren.

Nach den Himbeeren und Brombeeren ruft das Erdbeerfeld: jeder darf sich eine Reihe aussuchen und die letzten Erdbeeren naschen. So eine warme Erdbeere direkt vom Strauch schmeckt wunderbar aromatisch.

Nach der Sonne und den Erdbeeren nähern wir uns dem Bauerngarten der Familie und freuen uns auf den Schatten. Dort probieren wir allerlei Säfte. Die Bio-Konditorei „Löwenzahn“ aus Gommersheim hat Beerentörtchen gezaubert, eiskalt serviert zu einer Tasse Kaffee. Diskussionen über Kreislaufwirtschaft und Verbraucherverhalten machen alle nachdenklich. Was sind wir bereit, in nachhaltige Kreisläufe zu investieren? Sind wir bereit, Erzeuger direkt vor Ort zu unterstützen und in den Hofläden einzukaufen? Die Slow Food Prinzipien finden wir hier jedenfalls alle wieder.

Bei der Diskussion über Arbeitskräfte, deutsche oder osteuropäische,  wird aber klar, dass das  System anfällig ist, weil ausgebildete, motivierte Arbeitskräfte immer schwerer  für die Landwirtschaft zu gewinnen sind. Die 40-Stunden-Woche  ist nicht selten für den Betriebsleiter schon am Mittwochabend erreicht.

Herz und Leidenschaft leben dann das „Montag bis Sonntag“- Prinzip, das Leben und Arbeit verbindet und erfüllt, den Lebensunterhalt ermöglicht, bei dem aber großer Einsatz, eine hohe Flexibilität und großer Ideenreichtum gefragt sind. Nachdenklich gehe ich vom Hof, im Gepäck Beeren und Säfte, die ich den rheinhessischen Freunden mitbringe.

Weil Familie dahintersteht und ein Kreislaufsystem, das den Mehrwert für die gesamte Umwelt und die Region erzeugt.

Also, Einkaufen im Hofladen oder auf dem Markt – und Unterstützer von Slow Food besuchen!

(c) 2021 Katja Gruber

Fotos: (c) 2021 Katja Gruber und Ralf Honsberg