Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde von Slow Food München,
nein, keine Angst! Das wird jetzt kein Zucker-ist-ungesund-Bashing!
Ganz im Gegenteil: Je weniger ein Zucker raffiniert (=weiß) wurde, desto mehr Vitamine und Mineralstoffe enthält er. Aber ob deren dennoch geringer Anteil von rund 1 % im Verhältnis zur Menge an Kohlenhydrate ausreicht Zucker gesund zu nennen wird hier und heute genauso wenig geklärt, wie die Frage, welcher Zucker besser schmeckt. Letztes Jahr haben wir bereits in der Traubensüße-Zettelwirtschaft kurz davon berichtet, dass manche Lebensmittelerzeuger den Eigengeschmack von Rohrzucker in Ihren Rezepturen schätzen.
Und Achtung: Brauner Zucker ist meist nur gefärbter weißer Zucker.(1, 2, 3)
Nein, diesmal geht es nicht um gut, aber dafür um sauber und ein wenig um fair.
sauber
Slow Food ist per se ja kein Verfechter eines (bestimmten) Bio-Siegels, aber eben sauber soll die Produktion unserer Lebensmittel erfolgen. Wenn man liest, dass heutzutage fast alle Zuckerrüben in den USA aus GVO-Samen mit eingebauter Resistenz gegen das Herbizid Glyphosat gezüchtet werden(5), landet man doch sehr schnell bei Bio-Zucker.
Eine Schweizer Studie (in Quelle4 zum Download nach unten scrollen) vergleicht Bio-Fairtrade-Rohrzucker aus Paraguay und Bio-Rübenzucker, mit Hauptanbau in Süddeutschland. Die Umweltbelastung durch den Bio-Rübenzucker liegt demnach rund 1/3 unter dem des Bio-Rohrzuckers.
Im Wesentlich liegt dies am geringeren Flächenverbrauch: Ein Kilo Rückzucker verbraucht 1,1 m² Acker. Die gleiche Menge Rohrzucker benötigt ein ganzes m² mehr. (für 1 kg Zucker benötigt es 6,6 kg Rüben, aber 11,4 kg Zuckerrohr und der Flächenertrag ist bei Rüben mit 58 to/ha über dem vom Zuckerrohr mit 55,5 to/ha)
Auch kann die kürzere Anlieferung von Zuckerrohr zur Fabrik die hohe Umweltbelastung durch den weiten Seeweg nach Europa bei weitem nicht ausgleichen.
Auch wenn Zuckerrohr mit 80% Marktanteil der Global Player in der weltweiten Zuckerproduktion ist, die klimatischen Bedingungen in Bayern sind halt nun mal was für die „heimische“ Zuckerrübe. (siehe geographische Verteilung in Quelle 5)
Die Feldarbeit/Bewirtschaftung ist bei der Zuckerrübe aufwändiger. Nicht zuletzt deshalb interessieren sich wohl auch Nicht-Bio-Betriebe für ein modernen Feldarbeiter – angetrieben durch Sonnenenergie. (7)
Angesichts akuter Meldungen zu Gurken- und Schlachthöfen nicht uninteressant.
Kunstdünger sollte im Bio-Anbau keine Rolle spielen, daher sei nur am Rande erwähnt, dass beide Anbaumethoden düngerintensiv sind und gerade beim konventionellen Zuckerrohranbau viele Nährstoffe aus dem Boden durch Regen in Bäche, Flüsse und letztlich Meer ausgeschwemmt werden.(8)
Für ein Kilo Zucker benötigt das Zuckerrohr 1.476 Liter Wasser, die Rüben „nur“ 920 Liter (5). Aber Achtung, solche nackten Wasserverbrauchszahlen sind nur mit Vorsicht zu Vergleichen: Handelt es sich dabei um Regenwasser oder um Bewässerung mit naturfremden Speicherbecken? Und wieviel des eingesetzten Wassers steht als Grundwasser und Trinkwasser wieder zur Verfügung, oder versalzen dadurch die Böden? Auch ist auf den ersten Blick nicht klar, wie das zum Wachsen der Pflanze benötigte Wasser zwischen Zucker und den zahlreichen Nebenprodukten (Strom, Papier, Tierfutter, Dünger, alkoholische Getränke) aufgeteilt wird. Ferner fehlt das Wasser aus dem Verarbeitungsprozess… das alles können wir von Slow Food München nicht recherchieren. Aber wir können auf die faire Komponente des Wassers eingehen.
fair
Wenn wir in Bayern Rohrzucker importieren, dann importieren wir in Wahrheit das zu seiner Herstellung benötigte Wasser, sogenanntes „virtuelles Wasser“ (9). Dieses Wasser fehlt in seinem Ursprungsland und sollte in Statistiken unserem Pro-Kopf-Verbrauch hinzugerechnet werden.
Dass der Rohrzuckeranbau in Paraguay in Sozialen Themen wie Kinderarbeit, Zwangsarbeit Arbeitszeiten, Gesundheit oder Korruption schlechter da steht wird wohl nicht überraschen, wobei sich der Fairtrade-Standard positiv auswirkt. (4) Es ist nicht immer sinnvoll, die sozialen Aspekte zwischen Europa und Lateinamerika zu vergleichen. Auf jeden Fall geht es gerade bei Fairtrade darum, den Menschen in den Anbaugebieten ein besseres Leben zu ermöglichen.
Quintessenz
Aus Sicht von Sauber und Fair wäre es alles andere als verkehrt, den regionalen Bio-Rübenzucker zu kaufen und nur dort, wo man es nicht direkt beeinflussen kann (z.B. Kekse oder Schokolade) Produkten mit fair gehandeltem Rohrzucker Vorrang zu geben.
im Alltag
Wer kennt sie nicht, die Portionsbeutel mit Zucker drin, die man im Gasthaus oder Kaffee zu gleichnamigen Getränk auf der Untertasse findet. Praktisch wenn man diese Zuckermenge in seinem Getränk möchte. Aber was, wenn man sein Getränk ungesüßt trinkt? – dann werden diese Zuckerpäckchen zu wahren Multitalenten: Sie sind Spielzeug für unruhige Finger, Sammelobjekt, saugen verschütteten Tee auf oder werden mit ein paar Kaffeespritzern zum einmaligen Kunstobjekt!
Rechtlich betrachtet dürften die verpackten und nicht verwendeten Portionsbeutel für den nächsten Gast wiederverwendet werden. JA, aber nur wenn die Verpackung unversehrt und – salopp gesagt – hygienisch unbedenklich ist. Das dürfte wohl selten der Fall sein. Mal ganz abgesehen vom Zeitaufwand, den ein Kellner/Mitarbeier in der Küche investieren müsste um zu prüfen, ob das Päckchen unversehrt und unverschhmutzt ist!
Bei Lebensmittelverschwendung geht es vor allem um das, was wir selber machen:
Und jeder Portionsbeutel Zucker, den Ihr vor der Tonne bewahrt entspricht mehr frisches Trinkwasser, als Ihr einem Tag trinkt!
Euer Slow Food München Conviviumteam